Meister in drei Tagen?

Meisterbrief

Heute bin ich über die Werbung eines Fortbildungsinstitutes gestolpert.

Zitat aus dem Werbetext (von mir anonymisiert):

"Dank dem Fortbildungsinstitut ... habe ich meine Meisterprüfung in nur 15 Tagen geschafft. Das sparte mir viel Geld und noch mehr Zeit".

Das ist doch mal ein Argument und macht mich neugierig. Auf der Homepage dieses Institutes erfahre ich dann: In nur 12 Tagen kann man die Ausbildung in Teil III (der kaufmännische Teil) und in sogar nur 3 Tagen in Teil IV (Ausbilderschein) absolvieren. Ich gebe zu, das regt mich auf.

Bei mir wirft das eine Grundsatzfrage auf:

Welchen Stellenwert hat der Meistertitel im Allgemeinen? Ich befrage Wikipedia und finde dazu:



"Der Meisterbrief bescheinigt dem Inhaber umfassende fachtechnische und kaufmännisch-betriebswirtschaftliche Kenntnisse sowie praktisches Können in seinem Meister-Beruf."

Kann man "umfassende kaufmännisch-betriebswirtschaftliche Kenntnisse" in 12 Tagen erwerben? Ich meine: NEIN. Ich stelle mir gerade vor, dass Universitäten damit werben, dass man das Medizinstudium bei ihnen in nur 6 Monaten absolvieren kann. Wie seriös klingt das? Wie viel Vertrauen hätten sie in einen Arzt, der von so einer Uni kommt? Oder wie wäre es mit einem Schild an einer Autobahnbrücke: Der Konstrukteur dieser Brücke hat sein Baustatik Studium in nur 4 Monaten abgeschlossen! Der Zahnarzt der nach einem 8-monatigem Teilzeitkurs in meinen Zähnen bohrt? Das alles ist undenkbar. Aber im Handwerk geht das scheinbar!

Kann man wirklich alles mit dem Argument "Zeit und Geld gespart" rechtfertigen? Der Politik mag das ganz recht sein. Je schneller die "lästige" Ausbildung erledigt ist, desto eher zahlen die frisch Ausgebildeten schließlich Steuern (falls sie Geld verdienen).

Aber zurück zur eingangs erwähnten Werbeaussage.

Warum finde ich die so schrecklich? Ich möchte ein paar Punkte aufführen:

  • Wir leben in Zeiten einer wirtschaftlichen Hochkonjunktur. In Gesprächen mit Kollegen und Steuerberatern höre ich aber immer wieder, dass Handwerksbetriebe oft zu wenig Geld verdienen. Sie trauen sich nicht das Geld zu verlangen, das sie für Ihre Leistung brauchen würden, oder Sie wissen es einfach nicht besser. Es wäre eher von Vorteil die betriebswirtschaftliche Ausbildung zu verschärfen, anstatt Crashkurse anzubieten.
  • Handwerksmeister dürfen auch Bürokaufleute ausbilden. Diese Ausbildung dauert drei Jahre. Ist es seriös zu behaupten, dass man die fachlichen Kenntnisse um hier auszubilden in nur 12 Tagen erlangen kann?
  • Dass man sich mit einer Schnellausbildung Geld und Zeit spart bezweifle ich, weil man Defizite in seiner Ausbildung später immer teuer bezahlen muss. Die Meisterausbildung ist die letzte preiswerte Ausbildung. Wenn einen das Leben / die Praxis ausbildet, dann ist das ungleich teurer, weil jeder Fehler schnell so viel kostet wie die gesamte Ausbildung vorher.
  • In drei Tagen zu lernen wie man ausbildet. Da bin ich dann mal sprachlos. Auszubilden ist eine der Kernkompetenzen eines Meisters. Ich möchte sogar so weit gehen, dass einer kein Meister ist, wenn er nie jemanden ausgebildet hat. Ohne Schüler kein Meister. Diese Kernkompetenz ist nicht in drei Tagen erlernbar. Nicht einmal im Ansatz!

Welchen Stellenwert hat also der Meistertitel?

Demontieren wir uns selbst? Geht es für die Schüler in der Meister-Ausbildung nur noch darum sich den Meisterbrief in möglichst kurzer Zeit abzuholen, um die lästigen Wettbewerbsbeschränkungen loszuwerden? Ist die Ausbildung nur lästiges Beiwerk? Das wäre eine fatale Entwicklung. Das deutsche Handwerk ist gerade wegen der sehr guten Ausbildung so erfolgreich.

Ich für meinen Teil fühle mich schon fast persönlich beleidigt ob solcher Crashkurs-Angebote. Das kann nicht der Weg in unsere Zukunft sein. In Vietnam gibt es den Spruch "Bildung hält dich vom Reisfeld fern." Lasst uns bitte nicht auf die fundierte Ausbildung unserer Meister mit dem Argument der Zeit- und Geldersparnis verzichten.

Mehr in der Rubrik Meinung.

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